Donnerstag, Mai 25, 2006

 

Halbzeit

Seit knapp zwei Wochen Reha in Gernsbach bei Baden-Baden. Anfänglich hatte ich ja einen richtigen Horror davor. Während der ersten beiden Tage schienen sich dann auch alle meine Vorurteile zu bewahrheiten. Nur alte Menschen. Nur Siechtum. Krankheit. Sterben. Das echte Leben eben. Das wir alle gerne so schön ausblenden. My immortal. Hier bekommst Du Dein ganz persönliches momento mori. Obwohl es vergleichsweise locker abgeht. Ist nicht wie in einer berufsgenossenschaftlichen Reha. Keine jungen, halbentleibten Menschen. Kein jungen Rollstuhlfahrer. Lauter alte Menschen sind hier. Hauptsächliche Herzpatienten wie ich. Ich versaue denen den Schnitt nur etwas. Werde wahlweise "der junge Mann" oder einfach nur "der Infarkt" genannt. Das hatte die nach zwei Tagen spitz. Flurfunk funktioniert bei den alten Leutz nämlich hervorragend.

Die ersten beiden Tage waren also der Horror. Quietschende Gebisse, schlurfende Schritte, um mich rum ein einziges Altersheim.

Oma und Opa, das war ja früher irgendwie ganz niedlich. Meist verbunden mit Geschenken oder Freizügigkeit, die ich bei meinem zumeist gestrengen Herrn Papa nicht kannte. Wirklich nett. Nach und nach verstarb zunächst der Opa Karl-Ludwig, einige Jahre später dann Oma Freiburg. Oma Norddeutschland hatte man vergessen. Hatte sie bis zuletzt behauptet. Dann ging auch sie.

Aber das Sterben war diskret, mit Ansage und beinahe schon flauschig weit weg. In Watte gepackt.

In Gernsbach ist Sterben real. Wenn morgens einer meiner wirklich entzückenden Tischkameraden nicht pünktlich zum Frühstück aufschlägt, macht sich der Tisch kollektiv Gedanken. Wird schon nix sein.

Hab' das auch erst lernen müssen. Komme ja gern etwas zu spät. Meine Golden Boys und die Lady waren schon ziemlich aufgeregt. Drei Infarkte, ein Oberschenkelhals, eine organische Herzklappe. Wir sind eine spitzen Truppe. Es wird viel gelacht, wir machen ganz schön derbe Witze über Mitpatienten.

Vor allem auf die Gehhilfe-Fraktion haben wir es abgesehen. Zumeist gefährliche, ältere Ladys, die einem fies in die Hacken fahren, wenn es beim Büffet nicht schnell genug voran geht.

Die Reha läuft also prima. Zwei Belastungs-EKG habe ich bislang über mich ergehen lassen. Das kontinuierliche Training zahlt sich aus. Täglich über zwei Stunden Bewegung. Prima. Gestern waren es 300 Watt Spitzenleistung auf dem Fahrrad, 275 Watt für zwei Minuten konstant.

Bis zum PS-Tuner-GP bin ich also wieder fit. Und vielleicht auch unter 90er-Marke. Wir werden sehen.

Bleibt so schön

Schrotti

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