Mittwoch, April 26, 2006

 

From Hell

Dinge ändern sich manchmal dramatisch schnell. Und in eine Richtung, die man sich in seinen übelsten Albträumen nicht vorstellen mag.

Letzten Sonntag war ich frohgemut und hochmotiviert im Fitneßstudio. Ich gehöre nach Einschätzung des hochverehrten Aufzünders Hajo zu der Kategorie der "15-Kilo-Träger", bin also kein Anfänger. Aber das ist nebensächlich.

Hauptsächlich wurde mir nach ca. 40 Minuten auf dem von mir nicht so sehr geliebten Cardio-Stepper (Kalorienvernichtungsmachine) ziemlich übel. So übel, das ich aufhören musste. Und es wurde auch nicht besser. Also breche ich das Training komplett ab, gehe brav duschen und fahre nach Hause. Mir ist noch immer übel. Ich bekomme noch immer schwer Luft.

Daheim fällt meine Frau zwecks meinem Aussehen beinahe in Ohnmacht. Abmarsch ins Krankenhaus, Notaufnahme.

Schnitt. 45 Minuten später. Keiner hat Zeit für einen blassen, etwas übergewichtigen, leicht ergrauten 40er, der über Schmerzen in der Brust klagt.

Gerade ist ein Verkehrsunfall reingekommen. 1 Auto, 2mal Motorrad. Blutige Unfallopfer, verwirrte Angehörige. Und ich still auf meinem Stühlchen mittendrin.

Dann nehmen sie mir endlich Blut ab, machen ein EKG.

Schnitt. 2 Stunden später. Blutwerte seinen ok, EKG auch, sagt der nette Assistenzarzt. Aber man wolle mich über Nacht dabehalten. Zur Sicherheit. Um jegliches Risiko auszuschließen. Von wegen Herzproblemen und so.

Ich bekomme das letzte verfügbare Bett auf der Inneren Station. Wer das noch nicht mitgemacht hat: Da liegen schwerstkranke Menschen. Mein Zimmernachbar hat Magenkrebs und bekommt Chemo. Ich fühle mich wie im falschen Film. Der Druck im Brustkorb ist weg. Mir geht es gut. Ich marschiere zum Krankenhaus-Kiosk, kaufe eine Schachtel Zigaretten, setzte mich nach draußen in die milde Abendsonne und genieße.

Schnitt. Montag morgen. Alles Routine, sagt der nette Doc, nur noch ein Belastungs-EKG und eine weitere Blutprobe. Dann werde ich entlassen. Prima, ich freue mich. Ein schöner freier Tag.

1 Stunde später. Der nette Doc kommt hektisch in mein Zimmer. Nix EKG. Ab in den Rollstuhl. Blutwerte schlecht, Herzprobleme. Sein Chef meint während der Ultraschall-Untersuchung beiläufig: 40 und schon einen Infarkt. Wie haben Sie das hinbekommen?

Schnitt. Ich im Rettungswagen. Festgeschnallt auf Trage. Der Rettungsassistent schaut besorgt. Ruhepuls bei über 85. Ich bekomme Sauerstoff "angehängt". Ich suche die versteckte Kamera. Kann alles nicht wahr sein.

Schnitt: Notaufnahme, Herzzentrum. Der OP ist vorbereitet, der Doc fragt Daten ab, eine kleine Spritze in die Leiste (rechts), dann schiebt er mir einen Katheter ins Herz. Sieht nicht gut aus, sagt er. Infarkt. Der Verschluss ist noch da. Den pusten die Docs weg. Dann legen sie einen sogenannten Stent in die Aterie. Damit da wieder dauerhaft mehr Blut durchgepumpt werden kann.

Schnitt: Ich liege auf dem Zimmer. Neben mir ein Schlaganfall mit Herzklappenfehler. Ich habe höllisch Schmerzen in der Leistengegend: Druckverband für 10 Stunden. Mein Operations-Doc schaut rein, erklärt cool wir ein Werksmechaniker, was bei mir alles falsch gelaufen ist die letzten 25 Jahre. Zu viele Zigaretten, zu viel Pasta mit Sahnesoße, zu viel lecker Drinks, zu wenig Bewegung. Deshalb Infarkt. Meine Aterien sind verkalkt. Ich muss abnehmen, Rauchen ist tabu, Alkohol nur in Maßen.

Ich habe Glück gehabt, sagen sie drei Tage und drei ziemlich schlaflose Nächte später. Kein vernarbtes Muskelgewebe. Alle Chancen wieder fit zu werden. Es läge alles in meiner Hand, habe sie gesagt.

Glückliche und zugleich sehr nachdenkliche Grüße
Matthias

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